Rede bei der Kundgebung gegen die Jugendorganisation der AfD

Wir dokumentieren unsere Rede bei der Kundgebung gegen die Veranstaltung der „Jungen Alternatvie“ mit Nigel Farage (UKIP) im Kölner Hotel Maritim am 27.03.2014.

Die Rede ist auch veröffentlicht in der Zeitschrift „Wir müssen reden“ der Gruppe Queergestellt .

 

Wenn von der „Alternative für Deutschland“ in den sog. kritischen Medien die Rede ist, wird häufig nach den ideologischen Wurzeln dieser Partei gesucht. Bei ersten Nachfragen und den auffälligsten Positionierungen lassen sich dann auch leicht Überschneidungen zu Inhalten von rechtspopulistischen, mitunter auch zu rechtsradikalen Gruppen und Bewegungen finden.

Auf die, gerade hier im Rheinland, doch auffälligen Überschneidungen zu Personal und Inhalt von anderen rechtspopulistischen oder rechtsextremen Gruppen ist schon häufiger hingewiesen worden. Ausgerechnet auf einer Internetseite von „pro Köln“ wird auf die personellen Verquickungen zwischen „AfD“ und „pro Köln“ verwiesen. Diese Überschneidungen sind alleine daran schon zu erkennen, dass der AfD-Vorsitzende Lucke gerne mal von „Entartung und Überfremdung“ spricht – natürlich ohne das in Deutschland dazugehörige Wort „Rasse“ auszusprechen. Der Mann ist nicht blöd, er weiß, mit wem er spricht und wen er ansprechen will, wenn er solche Begrifflichkeiten in seinen Reden einsetzt.

Die inhaltlichen wie auch personellen Überschneidungen von „AfD“ und weiteren rechtspopulistischen Strukturen sind allerdings nur die eine Seite der Medaille. Diese Seite lässt die Verwurzelung eines Teiles der „AfD“ -Aktivistinnen in einem strukturell rechten Milieu erkennen. Diesem rechten, homophoben und frauenfeindlich geschlossenen Menschenbild müssen wir uns massiv entgegenstellen.

Unser Augenmerk legen wir bei der „AfD“ aber in besonderer Weise auch auf jene zweite Seite der Medaille, die ebenfalls gruselig und schrecklich ist. Diese Seite kommt allerdings in einem anderen Gewand daher. Oft erscheinen die vorgetragenen Argumente als „vernünftig“, „rational“ oder im Geiste des „gesunden Menschenverstands“. Es sind Argumentationsketten, die häufig ihren Ursprung an Biertischen und in Kaffeekränzchen der sog. „Mitte der Gesellschaft“ haben. Da heißt es, dass griechische und spanische Arbeiter, einfach nicht so fleißig arbeiten würden, eben nicht so wie es in Deutschland üblich sei. So klingt es an den Stammtischen und ebenso ist es fast jeden Tag der Morgenlektüre zu entnehmen. Da wird der sog. „Sozialmissbrauch von Migrant*innen“ zum alltäglichen Skandal aufgebauscht und entfaltet sich bei der morgendlichen U-Bahnfahrt. Gleiches wird auch regelmäßig von Politiker*innen der Bundesregierung vertreten. Unter Bezug auf die traditionelle Familie wurde erst letztes Wochenende in Köln bei der Demo der sog. „Besorgten Eltern“ Sexualpädagogik an Schulen skandalisiert. Dabei verleihen diese Menschen damit nur der eigenen Homophobie und Transphobie, der Angst vor und Verachtung für das vermeintlich „Andere“ Ausdruck.

Solche Reden entfalten ihre grausame Potenz ganz ohne eine rechtsradikale politische Formierung, ganz ohne „pro Köln“ oder andere rechte Propagandisten. Auch ohne explizite parlamentarische Vertretung haben diese üblen, verachtenden Gedanken eine gesellschaftlich verheerende Wirkung.

Dabei ist die Sehnsucht nach einer authentischen Vertretung an den sog. Schaltstellen der Macht durchaus vital. Diesen Leuten ist es ein wichtiges Anliegen, dass nun doch endlich einer sagt wie es vermeintlich „wirklich“ ist und dass auch mal die „schweigende Mehrheit“ zu Wort kommt.

Die permanente mediale Präsenz von Sarrazin, Buschkowsky und anderen rechtspopulistischen Vertreter*innen reicht ihnen einfach nicht. Die „AfD“ wie auch Theo Sarrazin und seine sozialchauvinistischen Thesen übernehmen dabei eine Scharnierfunktion zwischen rassistischen Biertischen und den sich zurückhaltend gebenden Vertretern der bürgerlichen Mitte.

Ein weiteres Motiv treibt diese zu kurz gekommene „bürgerliche Mitte“ der bundesdeutschen Gesellschaft an: Angst! Angst vor „Anderen“, „Fremden“ oder dem „Neuen“. Diese Leute haben

Panik davor, dass nicht heterosexuelle Menschen Kinder aufziehen und empfinden Ablehnung wenn eine aus Afrika stammende Familie im Nachbarhaus einzieht. Abweisend und beleidigend reagieren sie auf Mitbürger*innen, die ihr soziales Elend nicht verschleiern können und gezwungen sind auf der Straße zu betteln.

Die schlimmste Angst ist dabei allerdings jene vor dem eigenen sozialen Abstieg. Jede ökonomische Krise produziert Absteiger*innen aus einer scheinbaren sozialen Sicherheit. Auch die Krise seit 2008 hat zu herben ökonomischen Verlusten in der Mittelschicht geführt. Die zum Volkssport gewordene Spekulation auf Aktiengewinne, der zunehmende Verlust bei langfristigen Anlagen wie Lebensversicherungen und Altersvorsorge oder die legendären Immobilienkäufe der westdeutschen Mittelschicht in den neuen Bundesländern haben zu einer realen Abschöpfung von Geldvermögen aus den unteren Mittelschichten zugunsten der wirklich Reichen geführt. Bei Betriebsschließungen und Ausgliederung von Betriebsteilen wird eben auch nicht vor der Entlassung von Meistern, gut verdienenden Angestellten halt gemacht.

Diese Mixtur aus Ressentiment und Jammerei ist ein gefährlicher Bodensatz den die Strategen der „AfD“ mit Nationalchauvinismus und elitärem Denken gekonnt zu nutzen wissen. Dabei findet diese Jammmerei auf einem hohen Niveau statt: tatsächlich bezahlen mussten für die Krise vor allem Erwerbslose und Geringverdienende, Illegalisierte und Migrant*innen, sowie alle, die unbezahlte Pflege- und Sorgearbeit übernehmen. Hierbei sind Frauen mit als erste Leidtragende dieser Verhältnisse.

Und doch lohnt ein Blick auf die Entstehung der „Alternative für Deutschland“, um klarzumachen, dass dieses Projekt nicht alleine aus den Kreisen der absteigenden Mittelschicht geboren wurde. Die „deklassierte Klasse“ der jammernden Absteiger ist zwar ein wichtiger Teil und Bezugspunkt der Politik der „AfD“, gegründet hat sich dieser Wahlverein allerdings mit ganz anderen Akteuren. Als Geburtsstätte dieser Bewegung müssen eigentlich deutsche Universitäten angesehen werden. Im Februar 2011 formulierten 189 Professor*innen eine „Stellungnahme gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)“ und widersprachen damit der Regierungspolitik von CDU und FDP, die ihnen eindeutig zu pro-europäisch war. Schon damals war Ökonomieprofessor Lucke an führender Stelle mit dabei.

Ein großer Teil dieser konservativen Vordenker wünscht sich schon seit langem eine Politik und Partei, die die Privilegien der Bessergestellten verteidigen und auszubauen soll. Dabei entstanden solche kruden Forderungen wie „Gebährprämien für Akademikerinnen“ oder die äußerst aggressiv vorgetragene Kampagne zum Erhalt der Gymnasien als „Schutzraum für die Nachkommen der Bessergestellten“.

Theo Sarrazin ist diesen Leuten ein wahrer Vordenker. Sein strukturell hierarchisches Menschenbild, bei dem an der Spitze der nordeuropäische, traditionsgebildete Mann steht, ist kompatibel mit dem Selbstbild deutscher Eliten. Mit der „Alternative für Deutschland“ wird an einem Bündnis geschmiedet zwischen den sich zur deutschen Elite zugehörig fühlenden Großbürgern und dem Mob von absteigenden Kleinbürgern.

Daher sei abschließend mit Hanna Arendt gesprochen: diesem „zeitweiligem Bündnis zwischen Mob und Elite“ gilt es sich entgegen zu stellen!

Deshalb sind wir hier!

Danke!