Rede über rassistische Polizeigewalt

Liebe Mitstreiter*innen,

ich erinnere zu Beginn an eine Meldung aus der Deutschen Presse Agentur vom 11. März diesen Jahres. Eine brisante Meldung, die von erstaunlich wenigen Medien aufgegriffen wurde. Der Sonderbeauftragte im Kampf gegen Rechtsextremismus bei der Polizei NRW stellte im Landtag das Lagebild in Sachen Rechtsextremismus bei der NRW Polizei im Zeitraum von 2017 bis 2020 vor. Demnach gab es 186 ausgewertete Verdachtsfälle von Rechtsextremismus. Überproportional viele dieser Verdachtsfälle teilen ein Merkmal: sie sind männlich.  

110 der 186 ausgewerteten Fällen konzentrieren sich auf die Polizeipräsidien. In Essen sind es 50 Fälle, bei denen auch Verbindungen zu der neonazistischen Gruppierung „Steeler Jungs“ nachgewiesen werden konnten. Die Städte Aachen mit 25, Köln mit 21 und Dortmund mit 14 reihen sich in die extrem rechten Verdachtsfälle ein.Inhaltlich haben wir es mit 125 Fällen von Rassismus, 95 Fällen von  NS-Verherrlichung, 66 Fällen von  Antisemitismus und 62x mit Gewaltverherrlichung zu tun. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte danach: Die Zahl der personellen Verdachtsfälle habe sich inzwischen auf 251 Beschäftigte in NRW-Sicherheitsbehörden erhöht. Als Konsequenz wurden in Nordrhein-Westfalen sechs Kommissaranwärter entlassen. Der Sonderbeauftragte gegen Rechtsextremismus sicherte zu, dass noch eine Reihe weiterer Verfahren gegen Polizeibeamte durchgeführt werden würden, mit dem Ziel, sie aus dem Dienst zu entfernen.
Jetzt stehen wir hier, 6 Monate später, und schon wieder gibt es einen neuen sogenannten „Einzelfall“. Polizeichats, in denen rassistische Gewaltfantasien ausgetauscht werden, sind wieder mal zur Wirklichkeit geworden. Der gebürtige Italiener Gaetano B. ist 2 Monate, nachdem er bei einem Polizeieinsatz in Bickendorf im April von den Polizeibeamten gefesselt und misshandelt wurde, aufgrund der ihm zugefügten Rippenbrüche an einer Blutvergiftung gestorben.Nicht zu vergessen ist auch der Juli diesen Jahres. Bei einem gewaltsamen Polizeieinsatz wurde einem Mitglied der Sozialistischen Selbsthilfe Köln von den zuständigen Beamten der Ehrenfelder Wache Handgelenk und Ellenbogen gebrochen. Auch im Polizeiwagen erfolgten weitere Misshandlungen. Der Polizeiarzt auf der Wache hatte die Brüche, die später im Krankenhaus diagnostiziert wurden, angeblich nicht bemerkt. Wir sind fassungslos, wir sind wütend und wir sind angewidert. Und doch wäre es eine Lüge zu sagen, dass wir überrascht wären, so zynisch das auch klingen mag. Dafür reicht ein Blick in den eingangs erwähnten Bericht zum Lagebild in Sachen. Es folgen ein paar Beispiele.
Laut Bericht wurden vier Mitarbeiter von NRW-Sicherheitsbehörden mit Kontakten zu rechtsextremen Organisationen und einer als Mitglied einer rechtsextremen Gruppe entdeckt.Auf mehreren beschlagnahmten Datenspeichern war das verbotene Horst-Wessel-Lied  – das Kampflied der SA und die spätere Parteihymne der NSDAP –  gefunden worden. Ein Beamter soll Fotos von Weihnachtsbaum-Kugeln mit SS-Runen und «Sieg Heil»-Aufschrift gepostet haben. Bei einem anderen Beamten waren Fotos mit einem Hakenkreuz entdeckt worden, das aus Dienstmunition gelegt worden war. Ein Polizist habe sich in Uniform auf zwei Streifenwagen stehend dabei fotografieren lassen, wie er den Hitler-Gruß zeigte. Es waren auch Musikdateien von indizierten rechtsradikalen Bands entdeckt worden. Zum Christchurch-Anschlag, bei dem ein Rechtsterrorist in Neuseeland 51 Menschen tötete, hieß es in einem Post: [Zitat]«Zu viele Fehlschüsse.»
Aber lasst uns nochmal genauer auf Köln blicken:Köln belegt mit 21 Verdachtsfällen den dritten Platz im Wettrennen um die meisten (aufgeflogenen) extrem rechten Verdachtsfälle NRW-weit. Hier war nicht eine Chatgruppe Ausgangspunkt der Ermittlungsverfahren, sondern das Verhalten einzelner Beamt*innen unterschiedlicher Dienststellen. Die mindestens 21 Beamt*innen, da müsste jetzt ja bei der Zahl nochmal nachgebessert werden, haben durch ihr Amt natürlich Zugriff auf staatsschutzrelevante und personenbezogene Daten. Denn dies gehört, wie die Kölner Behörde es darstellt, zur hoheitlichen Befugnis jeder Polizistin. Es gebe aber keine Anhaltspunkte bei den Verdachtsfällen, dass Beamt*innen ihre exklusiven Zugänge genutzt hätten, um an Informationen von politischen Gegner*innen zu gelangen.Aber gibt es denn Anhaltspunkte, warum rechtsradikale Bullen das nicht getan haben sollten? Dazu schweigt die Behörde.Die Polizei Köln erklärt zu den Verfahren gegen die 2 Beamt*innen: [Zitat] “Bei den in Rede stehenden Ermittlungsverfahren geht es überwiegend um weitaus niederschwellige Straftaten.“ In zwei Verfahren spielt Geheimnisverrat eine Rolle – wie der inhaltlich aussah, dazu gibt es keine Angaben: Einmal als Post in dem zwischenzeitlich geschlossenen Chatforum Net4Cops; dieses Verfahren läuft noch. In einem weiteren Fall wurde im Rahmen eines anderweitigen Verfahrens das Handy eines Beamten beschlagnahmt. Darauf fanden die Ermittler*innen einen antisemitischen Post. Dieser Beamte ist suspendiert. Bei den weiteren Fällen erklärt die Kölner Polizei: [Zitat]  “Die Kölner Ermittlungsverfahren gehen auf fremdenfeindliche oder rassistische Beleidigungen/Äußerungen oder auch das ‚Liken‘ derartiger Äußerungen z.B. zum Thema der sogenannten Flüchtlingskrise zurück. Auch auf das Posten von Begriffen wie ‚Lügenpresse‘, rassistische Äußerungen in einer Chatgruppe der AfD oder das Tragen eines Thor-Steinar-Pullis von einem Beamten anlässlich einer Kundgebung zum Jahrestag des Synagogen-Anschlags von Halle (8. Oktober).”Die Polizei Köln kann nicht ausschließen, dass die in Rede stehenden Beamt*innen bei Veranstaltungen nach dem Versammlungsrecht (also Kundgebungen und Demonstrationen) eingesetzt waren. Dies sei auch nicht anders möglich, da in Köln jährlich mehr als 1.000 Kundgebungen stattfänden.
Damit sei an dieser Stelle an das geplante neue Versammlungsgesetz erinnert, das die schwarz-gelbe Landesregierung verabschieden will. Hier wird ganz klar linker und antifaschistischer Protest bedroht. Bereits auf drei NRW-weiten Großdemonstrationen haben wir deutlich gemacht, dass wir dieses Gesetz nicht einfach so hinnehmen werden. Der fortlaufenden Kriminalisierung und Bedrohung linken Protests und Widerstands stellen wir uns weiter entgegen. Am 4.12. in Köln und am 8.12. in Düsseldorf, achtet auf weitere Ankündigungen! Denn die rechten Cops, die sich in Chats zu rassistisch motivierten Gewaltorgien verabreden, haben, genau so wie der NSU 2.0., Zugriff auf Polizeicomputer und stehen uns genau so gut auf einer Demonstration gegen die AfD oder in der Grube im Kohlekraftwerk gegenüber. Wir fragen uns, wen schützt die Polizei hier wirklich, und sind uns der Antwort bereits bewusst. 
Wir stehen nun hier, um unsere Solidarität mit allen Betroffenen von Polizeigewalt zu bekunden. Die historischen Kontinuitäten dieser rassistischen, sexistischen, autoritären Repressionsbehörde zeigen uns bis heute, dass wir von ihr eine Organisierung von Sicherheit nicht erwarten können. Rassistische Polizeichats, Kontakte zu rechten Netzwerken, Verabredungen zu Gewaltorgien, Racial Profiling, Täter-Opfer-Umkehr, das Verschwinden von Akten… Der Fisch stinkt vom Kopf her! Reul, Maaßen, Caffier, Seehofer, (Hans-Josef Bähner) – Wir haben keinen Bock mehr, eurem rassistischen Geschwafel von Sicherheit und den immer gleichen reformistischen Versprechungen von Konsequenzen für die Polizeibehörde zuzuhören. Wir wissen, dass diese Konsequenzen nicht kommen werden. Es gab keine Sicherheit in Hanau. Es gab keine Sicherheit in Halle. Es gab keine Sicherheit in der Keupstraße. Es gab keine Sicherheit in der Probsteigasse. Es gab keine Sicherheit in Porz. Es gab keine Sicherheit in Bickendorf – Es gab keine Sicherheit für Gaetano B. 
Alles, was diese sogenannte Sicherheitsbehörde produziert, ist eine autoritäre Verwaltung des Elends – Die Garantie, dass die soziale Ungleichheit weiter festgeschrieben wird und ein System bestehen bleibt, in dem Luxus für einige wenige Elend für viele bedeutet. Durchtränkt von rechtem Gedankengut, gemischt mit rassistischen Gewaltfantasien und der staatlichen Legitimation, Gewalt anwenden zu dürfen, hat sich unsere „Sicherheitsbehörde“ ein weiteres Mal von ihrer wahren Seite gezeigt. Um mit allen Betroffenen von Polizeigewalt gemeinsam und solidarisch zu stehen sagen wir: Ihr wart keine Sicherheit, ihr seid keine Sicherheit und ihr werdet keine Sicherheit sein! No justice no peace