Merry crisis and a happy new fear – Rassistische „Sicherheit“ an Silvester in Köln

Das Jahr 2017 hatte noch nicht begonnen, da hatten sich die Blockupy-Neujahrswünsche „Merry Crisis and a happy new fear“ bereits bewahrheitet. Während in Istanbul Terroristen Menschen mordeten, versuchte die Polizei zur Silvesternacht in Köln nach den massenhaften Fällen sexualisierter Gewalt des letzen Jahres ein Exempel zu statuieren mit einem unverhohlen rassistischen Großeinsatz.

Hunderte Menschen wurden aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermuteten nordafrikanischen Herkunft verdachtsunabhängig kontrolliert und in großen Teilen über einen Seiteneingang des Hauptbahnhofs in einen Polizeikessel geführt und festgehalten. Die Polizei brüstete sich mit dem „Nafri“-Kessel („Nordafrikanische Intensivtäter“ Polizeijargon), Aussehen und Herkunft wurden zum Anlass ihres Generalverdachts. Weder war klar, ob sich die eingekesselte Ansammlung von Menschen verabredet hatte, noch was genau die Personen tun wollten. Auch die Schutzbehauptung der Polizeiführung im Nachhinein, dass die Männer wegen ihres aggressiven Verhaltens gekesselt wurden, ist schlicht gelogen. Selbst als die Gruppe schon festgesetzt worden war, verhielten sie sich nach unserer Beobachtung vor Ort absolut friedlich. Kurzum: die „Selektion“ (Polizeijargon vor Ort, laut Kölner Presse) der Gekesselten erfolgte anhand von Racial Profiling, der rassistischen Auswahl der Betroffenen.

Lob von allen Seiten – Kritik ist „Falsche Political Correctness“

Wurde letztes Jahr noch darüber diskutiert, ob es Racial Profiling als eine Form von institutionellem Rassismus überhaupt gibt, bleibt der öffentliche Aufschrei in diesem überdeutlichen Fall, bei dem Aussehen und Herkunft zum Anlass eines Generalverdachts wurden, weitgehend aus. Das polizeiliche Vorgehen wird stattdessen allerorten für seine Effizienz gelobt. Henriette Reker, OB der Stadt Köln, meinte: „Dass die Menschen in Köln in diesem Jahr friedlicher feiern konnten und sich die Übergriffe des letzten Jahres nicht wiederholten, ist auch der gut vorbereiteten Polizei zu verdanken“. Jegliche sanfte Kritik verstummte, als die Kölner Polizeiführung im Nachhinein erklärte, die Männer seien nicht wegen ihres Äußeren gekesselt und kontrolliert worden, sondern weil von ihnen aggressives Verhalten ausging. Anknüpfend an kolonialrassistische Bilderwelten der aggressiven, irrationalen „Anderen“, die eine Bedrohung für weiße Frauen darstellen, wird dem Einsatz nachträglich Legitimation verschafft.

Kritik am rassistischen Polizeieinsatz und der diskriminierenden Wortwahl „Nafris“, die einen massiven Einschnitt in Grundrechte darstellen, wird als „Gutmenschentum“ und falsche Political Correctness diffamiert, Kritiker*innen wird mitunter Gewalt angedroht. Darin zeigen sich nicht nur eine deutliche Verrohung der politischen Auseinandersetzung, sondern auch die Verschiebungen nach rechts in der politischen Debatte, die sich seit letztem Jahr Silvester fortgesetzt haben und ihre Entsprechung in neuen Asylrechtsverschärfungen, brutalen öffentlichkeitswirksamen Abschiebungen und neuen sicheren Herkunftsländern gefunden haben. Dabei ging es nie um den Schutz von Frauen* vor Gewalt im Allgemeinen, sondern den Schutz „unserer Frauen“ gegen eine vermeintliche Bedrohung von Außen. Damit werden die alltäglichen Erfahrungen sexualisierter Gewalt und Diskriminierung in Deutschland unsichtbar gemacht und Frauen* auf der Flucht, allgemein nicht-weiße Frauen*, gelten als weniger schutzbedürftig. Die Rufe nach Abschiebungen von Tätern verdeutlichen dies umso mehr.

Ihre Politik der Angst. Unsere Antwort: Grenzenlos feministisch!

Es ist wichtig, klarzustellen, dass es um viel mehr geht, als Political Correctness.
Die IS – Terrorist*innen haben Hand in Hand mit deutschen Rechtspopulist*innen und Rassist*innen ihr Ziel erreicht. Das politische und psychologische Motiv, Angst zu schüren und soziale Spaltung zu erzeugen, ist mit freundlicher Unterstützung deutscher Sicherheitsbehörden und rechtsnationaler Kräfte auch im neuen Jahr erfolgreich.
Die herbeigeschriene und gefeierte „Sicherheit“ basierte auf massiver polizeilicher Präsenz und präventiven rassistischen Kontrollen. Mit der rassistischen Einteilung in die Gruppe der „Nafris“ wurden an Silvester die Grundrechte der Antidiskriminierung und Unschuldsvermutung für viele nichtdeutsch/nichtmitteleuropäisch aussehende Menschen mit Füßen getreten. Diese Tendenzen fügen sich als zunehmend autoritäre Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung, der Aufrechterhaltung einer vermeintlichen Sicherheit, die diese Verhältnisse nicht in der Lage sind herzustellen, in die Logik eines Regierens im Ausnahmezustand. Wir wissen, dass diese Versprechen von Sicherheit leer sind und dass sie teuer mit Diskriminierung und Polizeiwillkür erkauft sind.

Unsere Antwort auf sexualisierte Gewalt und ihre rassistische Vereinnahmung ist und bleibt weiterhin ein grenzenloser Feminismus. Der Politik der Angst setzen wir unsere Solidarität entgegen. Wir kämpfen für eine Gesellschaft, deren Sicherheit nicht auf Misstrauen und staatlicher Kontrolle basiert! Wir kämpfen gegen diese Herrschaftsverhältnisse mit Ausschluss, Rassismus und Diskriminierung! Und allen, die diesen Erfolg des „Rechtsstaats“ in der Silvesternacht feiern, wünschen wir: Merry Crisis and a happy new fear!