Rede anlässlich des russischen Angriffs auf die Ukraine

Es ist Krieg in Europa. Tausende Menschen sterben. Hunderttausende sind auf der Flucht. Das ist entsetzlich. Wir verurteilen die militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine. Für Krieg gibt es keine Rechtfertigung. Auch die jahrelange antirussische Konfrontationspolitik des Westens, besonders der USA und der NATO rechtfertigen keinesfalls den Angriffskrieg Russlands.



Putin setzt auf das Recht des Stärkeren. Das Recht des Stärkeren ist eng verbunden mit der reaktionären, nationalistischen, ja völkischen Ideologie, die Putin seit Jahren zum Erhalt und zur Ausweitung seiner Macht nutzt. Das kriegerische Handeln entspringt einer imperialistischen Politik. Diese imperialistische Politik versucht gewaltsam, sich Territorien und Bevölkerungen einzuverleiben.Der groß-russische Nationalismus der der Ukraine das Existenzrecht ab spricht,  steht dem ukrainischen Nationalismus und der Expansionspolitik der NATO gegenüber. Es geht Putin dabei nicht um die Wiederherstellung des sowjetischen Machtbereichs, wie es jetzt manchmal heißt. 

Der von Putin propagierte Antikommunismus sehnt sich viel mehr nach einer Zeit vor der kommunistischen Revolution von 1917 zurück. Zurück ins großrussische Zarenreich, mit traditionellen Geschlechterrollen, mit einer Welt, die nur aus heterosexuellen Klein- und Großfamilien besteht. Nicht ohne Grund gilt Putin bei den reaktionären Rechten in vielen Teilen der Welt als Inspiration und Sehnsuchtsfigur. Auf Putins Seite ist kein Platz für all jene, die sich nach einer emanzipatorischen Welt, einer ganz anderen Welt ohne Unterdrückung sehnen. Linke stehen nicht hinter Putin. 
Gewalttätige Auseinandersetzungen, allen voran kriegerische, versuchen seit jeher die Wahl der Handlungsmöglichkeiten auf ein entweder-oder zu begrenzen, darauf, dass man entweder für die eine Kriegspartei oder die andere ist.Darin bleiben all die unberücksichtgt, die in den nun vom Krieg durchzogenen Zonen um ihr Leben bangen – und gezwungen sein werden zu fliehen. Darin bleiben solche unberücksichtigt, die innerhalb der Länder gegen das kriegerische Treiben ihrer Regierungen aufstehen. Machen wir sie sichtbar und stellen wir uns an ihre Seite! 
Die gesellschaftliche Empörung über diesen Krieg wirft allerdings auch Fragen auf. Ja, Russland führt einen Angriffskrieg. Der Angriffskrieg ist völkerrechtswidrig. Putin bedient sich dabei der gleichen Argumentation, wie es sein Erdoğan im Januar 2018 tat, als der NATO (!) Partner Türkei einen Angriffskrieg gegen Syrien startete. Wo war da die gesellschaftliche Empörung? Waren die Ermordeten nicht weiß genug? Nicht europäisch genug? In beiden Fällen lagen keine „bewaffneten Angriffe“ gegen Russland oder die Türkei vor, die laut der Charta der Vereinten Nationen das Selbstverteidigungsrecht auslösen würden. Es zeigt sich einmal mehr: Das international festgehaltene Recht interessiert die Herren dieser Welt nicht. Das gilt sowohl für Russland als auch die für NATO. 

Imperialistische Kriege dienen immer auch dazu, soziale, politische und ökonomische Krisen im Inneren des eigenen Landes entweder zu kaschieren oder zu beheben. Und so unklar der Ausgang dieser imperialistischen Aggression ist, können wir uns einer ekelhaften Tatsache sicher sein: Krieg ist ein lukratives Geschäft. Die Gewinner stehen jetzt schon fest: es sind die Rüstungsfirmen, die paramilitärischen Privatarmeen, die Sicherheitsunternehmen, die Logistikbranche, und all die anderen Unternehmen, die durch neue von den Regierungen vergebene Verträge mit dem Wiederaufbau der zerstörten Gesellschaft beginnen werden. Und so passt auch diese bittere Aussage russischer Anarchist:innen wie die Faust aufs Auge: „Zweifelt nicht daran: die Yachten russischer Oligarchen werden nicht kleiner werden, aber alle anderen werden anfangen, schlechter zu leben.“
Klar ist auch: All die, die auf beiden Seiten der imperialistischen Auseinandersetzung an dem Leid und dem Tod mitverdienen haben kein Interesse daran demokratische und nicht-gewalttätige Lösungen für solche Interessenskonflikte zu finden. Die Profiteure des Kriegs haben kein Interesse die globalen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Wir kennen das aus anderen Krisen. Auch in der Klimakrise haben die profitierenden Länder und Konzerne kein eigenes Interesse die Krise aufzuhalten. 
Die Unfähigkeit der Herrschenden, die die Probleme unserer Zeit weder lösen können noch lösen wollen, müssen wir uns immerzu vergegenwärtigen. Aus einer Position der Herrschaft und einer Geschichte der Unterdrückung heraus, ist selten etwas Gutes für Alle entstanden. 
Von Oben kommt nichts gutes- das wird auch deutlich bei diesem absurden 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr und der massiven jährlichen Aufstockung des Militär-etats. 100 Milliarden, sofort. Waffen können keinen Frieden schaffen. Angesichts dieser neu entdeckten Entschlossenheit zeigt sich einmal mehr, dass die Mittel für die dringend notwendige sozial-ökologische Transformation nicht fehlen. Der politische Wille fehlt. Es gibt mindestens 100 bessere Verwendungen für diese 100 Milliarden.
Dieselbe Politik und dieselben Konzerne, die uns in die Abhängigkeit von russischem Gas getrieben haben, wollen uns nun weismachen, dass fossiles Gas aus Katar die bessere Antwort ist. Auch Fracking-Gas aus den USA oder Argentinien bedeuten Vertreibung, Tod und Zerstörung.
Es gibt mindestens 100 bessere Verwendungen für diese 100 Milliarden.Anstatt die 100 Milliarden in die fossile Aufrüstung & Militarisierung zu stecken, muss das Geld in einen rasanten dezentralen und marktlogikfreien Ausbau von erneuerbarer Energie gesteckt werden. 
Anstatt die fossilen Kapitalbeziehungen von Russland nach Katar zu verlegen & Flüssiggaasterminals zu bauen brauchen wir jetzt einen Wendepunkt, um aus der Eskalationsspirale auszusteigen und das Ruder in der Klimakrise herum zu reißen. Wir brauchen einen Cut, der die fossilen Beziehungen abschneidet und nicht verschiebt. 
Anstatt jetzt neue Panzer zu kaufen bräuchten wir das Geld für Pflegekräfte, Schulen und Hartz-4 Empfänger*innen.Ihnen würde dieses Geld zustehen und nicht den  Rüstungsfirmen, die mit Morden und Kriegen ihr Geld verdienen.
Wir können festhalten: In einem Krieg, der Folge der Konfrontation zweier imperialistischer Mächte ist, gibt es kein gut oder böse, schwarz oder weiß. Es gibt darin auch keine Graustufen. Es gibt nur eine Entscheidung, die zu treffen ist: wie verhindern wir die Fortsetzung dieses Krieges? Wir denken, dass folgende Fragen uns helfen können unsere Anti-Kriegshaltung zu entwickeln:
welche Solidarität lassen wir den vom Krieg Betroffenen zukommen? Welche Empathie müssen wir an den Tag legen, um die Wirklichkeit aus ihren Augen zu betrachten? Welche Position beziehen die, die sich in der Ukraine und in Russland gegen den Krieg stellen und dabei alles riskieren? Welche Position ist die der Kämpfenden, die sich dem Krieg entziehen, und für eine linke, linksradikale und menschliche Politik eintreten? Und wie reagieren wir, auf die  neuen Fluchtbewegungen aus der Ukraine heraus, die sich auf einen harten Weg des Überlebens nach Westen aufmachen? 
Wir sind nicht an die Handlungen unserer Regierungen gebunden, wir können frei entscheiden. Ihre Handlungen sind nicht unsere. Diese Regierungen werden jetzt und in naher Zukunft verstärkt versuchen, Diener:innen für ihre falsche Sache zu gewinnen. Ihnen müssen wir entgegenhalten: ihr habt ausgedient!
Wir müssen uns auch die Fragen stellen, die auf unsere eigene Rolle und Verantwortung abspielt:welchen Beitrag leistet der deutsche Staat in diesem Krieg? Worauf zielen die neuen Bundeswehrstationen in Litauen ab?Welche aktuellen Funktionen erfüllen die hiesigen US-Kasernen? Wo und mit welchen Mitteln können wir dem Kriegstreiben auch in der BRD entgegentreten? Wie treten wir der rassistischen Trennung entgegen, zwischen den „guten“ weißen, christlichen“ Ukrainier*innen und den „bösen“ nicht-weißen Flüchtenden aus der Ukraine und von anderswo?
(ich hätte kotzen können als ich davon mitbekommen habe)
Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ein Verbrechen gegen die Menschheit. Es braucht eine klare, unversöhnliche Haltung des Friedens, die sich auf keine falsche Seite stellt. Es braucht eine bedingungslose und unkomplizierte Aufnahme fliehender Menschen und das Ermöglichen sicherer Fluchtrouten. Macht die Grenzen auf! Für alle fliehenden, nicht nur aus der Ukraine, nicht nur für die weißen und die Christen. Für das Ende der Kriege zwischen Nationen und Imperien. Abrüstung und Entmilitarisierung statt Rüstungexporte und Kriegsrhetorik. Den Herrschenden in den Rücken fallen! Denn Jede militärische Handlung und jeder Waffennachschub, der von hier aus den Krieg befeuert und nicht behindert und sabotiert wird, trägt direkt bei zu Tod und Leid tausender Menschen.
Lasst uns gemeinsam Kämpfen: Gegen alle Grenzen, gegen alle Imperien, gegen alle Kriege!