Rede anlässlich der „Versammlungsgesetz NRW stoppen“ – Kundgebung

Wir stehen hier heute zwar vor dem Büro der FDP, aber die FDP ist  gemeinsam mit der CDU  Teil der NRW Landesregierung, die den Gesetzentwurf vorgelegt hat.  Ich beginne mit einem Interview  des  CDU Landtagsfraktionexperten für Innere Sicherheit Christos Katzidis im rechtskonservativen  Bonner General-Anzeiger vom 7.Februar 2021.

Auf die tendenziöse Frage des Journalisten, dass die Landesregierung doch das Versammlungsrecht ändern wolle, „ (Zitat) um insbesondere Rechtsextremen Aufmärsche zu erschweren“ und  warum „aus gerechnet die linksautonome Szene dagegen Sturm läuft“  antwortet der Innenexperte brav: „Das ist mir auch ein Rätsel!“

Gemeinsam stellen Interviewer und der Experte für Rechtradikalismus danach verwundert fest, dass es bei den Rechtsextremen keinen Gegenwind gegen das geplante Gesetz gibt. Katzidis ( Zitat): „Es ist bei denen erstaunlich ruhig. Da ist mir noch garnichts zu Ohren gekommen. Dabei müssten die Rechtsextremen viel beunruhigter sein, weil wir Ihnen Versammlungen an bestimmten Tagen, wie dem 9. November  und an bestimmten Orten wie Holocaust Gedenkstätten verbieten wollen.“

Letzteres ist richtig. Das steht im Gesetzentwurf und ich begrüsse das auch, aber dafür hätte es keines neuen Gesetzes bedurft, sondern lediglich eine Ergänzung des alten. So lässt sich vermuten, dass diese Passagen lediglich als Alibi funktionieren sollen, um die Legende zu stützen, dass das Gesetzesvorhaben vor allem gegen Rechts gerichtet sei. Und weiter Zitat: „Es ist völliger Blödsinn, dass wir Demonstrationen gegen Rechte unterbinden wollen.“ Wer das Gegenteil behauptet ist ein Populist in Katzidis Augen. Also wir hier.  

Aber selbst die dümmsten Rechtsextremen – und es gibt leider nicht nur dumme – wissen, dass das geplante verschärfte Verbot von Blockaden z.B. sich nun mal ganz klar gegen Taktiken der Antifa richtet. Und das Verbot der Uniformierung –  z.B. der Klimaaktivistinnen mittels Maleranzügen –  ist auch nicht gegen rechte Aufmärsche gedacht. U.a. deshalb protestieren sie nicht gegen das geplante Gesetz.  

Denn  schließlich wissen sie ja auch, dass sie – im Gegensatz zu den Antifas und Klimaaktivist*innenVerbündete in den Reihen der Polizei haben. 

Und damit komme ich zu einer Meldung aus der Deutschen Presse Agentur dpa vom 11. März 2021, die angesichts ihres brisanten Inhaltes  – nur von erstaunlich wenigen Medien aufgegriffen wurde,  z.B.  von „bürgerlich liberalen“ Zeit und ich glaube auch vom Spiegel.

Danach stellte der  Sonderbeauftragte im Kampf gegen Rechtsextremismus bei der Polizei NRW, Uwe Reichel-Offermann, im Landtag das Lagebild in Sachen Rechtsextremismus bei der NRW Polizei vor, das den Zeitraum von 2017 bis 2020 umfasst.

Danach gab es 186 ausgewertete Verdachtsfälle von Rechtsextremismus  in den Reihen der NRW Polizei. Überproportional sind davon männliche Polizisten betroffen  

110 von 186 ausgewerteten Fällen konzentrieren sich auf die Polizeipräsidien in Essen (50) (– 9 Verbindungen gab es da zu den rechtsradikalen Steeler Jungs), Aachen (25),  Köln (21), und Dortmund (14). 

Inhaltlich seien die meisten Fälle als Rassismus (125), NS-Verherrlichung (95), Antisemitismus (66) und Gewaltverherrlichung (62) zu werten.

Dass das inhaltlich mehr als 186 Fälle sind,  liegt daran dass es in den meisten Fällen um mehrfach Auffälligkeiten geht.  

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte danach, die Zahl der personellen Verdachtsfälle habe sich inzwischen auf 251 Beschäftigte von NRW-Sicherheitsbehörden erhöht, die unter Verdacht geraten seien. 

Als Folge  sind  in Nordrhein-Westfalen  sechs Kommissar Anwärter entlassen worden. Es würden noch eine Reihe weiterer Verfahren gegen Polizeibeamte geführt mit dem Ziel, sie aus dem Dienst zu entfernen, sagte Reichel Offermann

Bei den arbeitsrechtlichen Verfahren gegen Nicht-Beamte seien drei Abmahnungen ausgesprochen worden und zwei Kündigungen. 

Einige Beispiele aus dem Bericht:

Es seien vier Mitarbeiter von NRW-Sicherheitsbehörden mit Kontakten zu rechtsextremen Organisationen und einer als Mitglied einer rechtsextremen Gruppe entdeckt worden.

Auf mehreren beschlagnahmten Datenspeichern war das verbotene Horst-Wessel-Lied  – das Kampflied der SA und die spätere Parteihymne der NSDAP –  gefunden worden. 

Ein Beamter soll Fotos von Weihnachtsbaum-Kugeln mit SS-Runen und «Sieg Heil»-Aufschrift gepostet haben. 

Bei einem anderen Beamten waren Fotos mit einem Hakenkreuz entdeckt worden, das aus Dienstmunition gelegt worden war. 

Ein Polizist habe sich in Uniform auf zwei Streifenwagen stehend dabei fotografieren lassen, wie er den Hitler-Gruß zeigte.

 Es waren auch Musikdateien von indizierten rechtsradikalen Bands entdeckt worden. 

Zum Christchurch-Anschlag, bei dem ein Rechtsterrorist in Neuseeland 51 Menschen tötete, hieß es in einem Post: «Zu viele Fehlschüsse.» 

Aber kommen wir noch mal zurück nach Köln. 

Wie schon gerade gesagt: Laut Bericht des NRW Sonderbeauftragten über Rechtsextremismus   im Zeitraum von 2017 bis 2020 hat Köln den 3. Platz in NRW  mit 21 rechtsextremen Verdachts Fällen nach Essen und Aachen.  Die Kölner Internetzeitung report K hat da noch mal genauer recherchiert und bei der Behörde nachgefragt:  

Im September 2020  waren es  noch 13 Fälle in Köln gewesen. Bei den 21 Fällen  war die Gesamtzahl in NRW noch 181. Inzwischen hat Reul ja 251 ausgewertete Verdachtsfälle in NRW als Zahl genannt. Also wird es auch in Köln inzwischen mehr ausgewertete Fälle geben.  Die Polizei Köln erhielt,  nachdem der Skandal um rechtsextreme Chats von Beamten der NRW-Polizei öffentlich wurde, weitere Hinweise. 

Diese Vorfälle, so ein Sprecher gegenüber  Internetzeitung report K,  lägen teilweise schon Jahre zurück, aber einige seien auch neu, also mit einem aktuellen Bezug. In zwei Fällen von den 13 Fällen im September liefen die Verfahren noch und sie sind immer noch nicht abgeschlossen. In Köln sei aber nicht eine Chatgruppe oder eine Gruppe Hintergrund der Ermittlungsverfahren, sondern das Verhalten einzelner Beamt*innen. Die kommen aus unterschiedlichen Dienststellen der Behörde. Nicht betroffen sei der Bereich des polizeilichen Staatsschutzes.“

Letzteres kann ich mir ehrlich gesagt nach den Erfahrungen der letzten Jahre mit dem Umgang der Staatsschutzbehörden mit Rechtsradikalen z.B. im NSU Komplex  nicht vorstellen.

Aber egal. Eines ist auf jeden Fall klar, die mindestens 21 Beamt*innen (wsl. inzwischen mehr) haben durch Ihr Amt natürlich Zugriff auf staatsschutzrelevante und personenbezogene Daten. Denn dies gehört, wie die Kölner Behörde es darstellt, zur hoheitlichen Befugnis jeder Polizistin oder Polizisten. Es gebe aber keine Anhaltspunkte bei den Verdachtsfällen, dass Beamt*innen ihre exklusiven Zugänge genutzt hätten, um an Informationen von politischen Gegnern zu gelangen.

Aber gibt es denn Anhaltspunkte, warum rechtsradikale Bullen das nicht getan haben sollten? Dazu schweigt die Behörde.  

 Die Polizei Köln erklärt zu den Verfahren gegen die 2 Beamt*innen: „Bei den in Rede stehenden Ermittlungsverfahren geht es überwiegend um weitaus niederschwellige Straftaten. In zwei Verfahren spielt Geheimnisverrat eine Rolle – wie der inhaltlich aussah dazu gibt es keine Angaben: Einmal als Post in dem zwischenzeitlich geschlossenen Chatforum Net4Cops; dieses Verfahren läuft noch. In einem weiteren Fall wurde im Rahmen eines anderweitigen Verfahrens das Handy eines Beamten beschlagnahmt. Darauf fanden die Ermittler einen antisemitischen Post. Dieser Beamte ist suspendiert.“ Bei den weiteren Fällen erklärt die Kölner Polizei: „Die Kölner Ermittlungsverfahren gehen auf fremdenfeindliche oder rassistische Beleidigungen/Äußerungen oder auch das ‚Liken‘ derartiger Äußerungen z.B. zum Thema Flüchtlingskrise zurück. Auch auf das Posten von Begriffen wie ‚Lügenpresse‘, rassistische Äußerungen in einer Chatgruppe der AfD oder das Tragen eines Thor-Steinar-Pullis von einem Beamten anlässlich einer Kundgebung zum Jahrestag des Synagogen-Anschlags von Halle (8. Oktober).“

Die Polizei Köln kann nicht ausschließen, dass die in Rede stehenden Beamt*innen bei Veranstaltungen nach dem Versammlungsrecht eingesetzt waren. Dies sei auch nicht anders möglich, da in Köln jährlich mehr als 1.000 Kundgebungen stattfänden.

Und damit komme ich zurück zum Ausgangspunkt meiner Rede. Ein neues Versammlungsgesetz mit mehr Befugnissen der Polizei und der strukturell bedingten Infiltration des Polizeiapparates durch Rechtsextreme bedeutet neben der grundsätzlichen weiteren Beschneidung von demokratischen Rechten eine zusätzliche Einschüchterung der Menschen die sich gegen Nazis und andere Grausamkeiten des Kapitalismus wehren wollen.

Denn wer will  in Zukunft unter seinem eventuell veröffentlichten  Namen eine Demonstration anmelden, 

wer will demnächst noch namentlich genannte Versammlungsleiterin sein  

wer will bei der nächsten Demo namentlich als Ordner*in von der Polizei  erfasst werden

wer will auch nur Demonstrantin sein, die eine Gefährderansprache von einem rechtsradikalen Beamten bekommt,  

wenn sie alle befürchten müssen neben der Erfassung durch den Staatsschutz auch noch auf rechtsextremen Listen  als Feinde erfasst zu werden durch die Infos von rechtsextremen Polizist*innen?  

Nicht nur deshalb aber auch deshalb müssen wir unbedingt das geplante neue NRW Versammlungsgesetz verhindern.

Und das gilt nicht nur im Interesse der Linksradikalen und  Linksautonomen, sondern aller  die das Recht auf Versammlungsfreiheit auch in Zukunft wahrnehmen wollen.  Denn was passiert mit der Praxis eines so gestalteten neuen Versammlungsgesetzes wie von der Landesregierung geplant, wenn z.B. in einer zukünftigen Landesregierung neben der FDP und CDU  auch noch die AfD sitzt? Kann doch passieren, wenn es von den Wählerstimmen her für FDP und CDU nicht mehr reicht zur Erhaltung der legalen Pfründe? Diese Frage müssen wir  in NGO’s, Gewerkschaften, parlamentarische Opposition und Sozialverbände tragen, die bisher weitgehend zum geplanten Vers. G. schweigen. Spätestens dann wären auch sie von der Beschneidung der demokratischen Rechte im Versammlungsgesetz betroffen, z.B. bei Parteiveranstaltungen,  Demonstrationen von Verbänden oder bei Arbeitskämpfen mit Streikumzügen und Fabrikbesetzungen. 

Also…. es gibt noch viel zu tun…..