Rede auf der Demo gegen das neue Versammlungsgesetz in NRW am 28.08.21 zum Thema „Care not Cops“

Versammlungsgesetz autoritäre Formierung 
Um es vorweg nochmal zu sagen: Das Versammlungsgesetz NRW ist von einer größtmöglichen Abneigung gegen die Versammlungsfreiheit getragen. Gerade in Zeiten eines gesellschaftlichen Rechtsrucks und autoritärer Formierung muss Versammlungsfreiheit ermöglicht und nicht beschränkt werden. 


Dass wir unsere Wut gegen die Untätigkeit in der Klimakrise, die europäische Abschottungspolitik, den Mietenwahnsinn, die rassistischen Morde auf die Straße tragen, ist nicht nur berechtigt, es ist notwendig, um diesem Wahnsinn etwas entgegenzustellen. Die schwarz-gelbe Landesregierung will uns kriminalisieren. Der Gesetzesentwurf schafft Barrieren bei der Anmeldung und Durchführung von Versammlungen und weitet die Möglichkeiten versammlungsbeschränkender Maßnahmen aus.
Das Versammlungsgesetz reiht sich ein in die autoritäre Formierung, in der Law & Order, um sich greifen, um vermeintliche Sicherheit herzustellen. Sicherheit für wen? Und was für eine Sicherheit überhaupt?
Gesetzesverschärfungen, rassistische Diskurse und die überwältigende Präsenz faschistischer Strukturen in den Sicherheitsbehörden sind Warnzeichen und Gefährdung jeder emanzipatorischen Politik.
Die Angriffe auf die Demonstration letztes Mal sind weitere Stellschrauben der staatlich beförderten Eskalationsspirale, die in den letzten Jahren darauf zielt zivilgesellschaftlichen und linken Protest zu erschweren, zu unterbinden und demokratische Rechte auszuhöhlen.
Dass es regelmäßig zu polizeilichen Gewaltexzessen wie diesen kommt, wird bewusst in Kauf genommen und zugleich vehement geleugnet, obwohl dies zu Genüge dokumentiert ist. 
Wenn etwas sicher ist, dann dass wir uns so definitiv nicht sicher fühlen können!


Polizei ist keine Sicherheit/ Lösung
Tag täglich werden in der Polizei neue „Einzelfälle“ bekannt: von rechten PolizeiChats und racial profiling, über Vernetzung in die extreme Rechte, bis hin zu tödlicher Polizeigewalt. Das, was Skandale für Manche sind, ist Alltag für marginalisierte Gruppen. Fragt man Schwarze, PoC und (post-)migrantische Communities, Geflüchtete, Wohnungslose, Drogennutzer*innen, prekär lebende Menschen und Aktivis­t*innen, dann wird schnell klar, dass es eine ganz andere Erfahrung mit polizeilichem Handeln gibt als die des Beschützers. Während die Polizei die Ordnung der einen beschützt, behandelt sie die anderen als deren Bedrohung. Die Polizei ist eben nicht einfach dazu da, Sicherheit für alle herzustellen, sondern erhält letztlich eine ganz bestimmte Ordnung, die Ordnung der herrschenden Verhältnisse, aufrecht. Nach Fällen wie dem „NSU 2.0“, Nazi-Chatgruppen bei der Polizei, dem Tod von Amed Ahmad in der JVA Kleve und den rechten SEKler:innen in Hanau ist klar, im Kampf gegen Faschist:innen und Reaktionäre ist der Staat und sein Personal alles andere als eine Hilfe. Auch an den Außengrenzen der Festung Europa drängen deutsche Polizist:innen Menschen zurück in den Tod. Gleichzeitig werden rassifizierte Menschen grundlos kontrolliert, zu Täter:innen gemacht oder sterben im Polizeigewahrsam. Für marginalisierte Gruppen gibt es in diesem Staat keine „Sicherheit“.
Eine Polizei ohne Gewalt gibt es nicht
Wie der sprichwörtliche Besitzer eines Hammers in jedem Problem einen Nagel sieht, sieht eine obsessiv mit Sicherheit und Gefahren befasste Regierung in jedem Problem eines der Inneren Sicherheit und damit ein poli­zeiliches. So werden soziale Konflikte großflächig in die Sphäre der Polizei verlagert. Aus dem wirtschaftlichen Problem der Wohnungslosigkeit und dem gesundheitlichen Problem der Drogensucht wird das polizeiliche Problem des zu vertreibenden Obdachlosen. Die 110 wird individuell wie politisch zur ersten und einzigen Bewältigungsstrategie, die anderweitige Problemlösungskompetenzen verdrängt. Dabei können gerade Situationen, in denen eine als Allzweckwaffe missverstandene Polizei auf Lagen trifft, zu deren Bewältigung sie nicht adäquat befähigt ist, tödlich enden. 
Polizei ist nicht neutral sondern politisch und organisiert 
Der Polizeiapparat drängt zunehmend aktiv in Debatten hinein und verfolgt dabei dezidiert eigene Interessen. Polizeigewerkschaften äußern sich zu tagespolitischen Themen, Polizeiaccounts bewerten auf sozialen Medien das Einsatzgeschehen live und Polizeivertreter*innen werden vor Strafrechtsverschärfungen im Rechtsausschuss angehört. 
Aber nicht nur das: Als Ausüberin des staatlichen Gewaltmonopols ist die Polizei keine gesellschaftlich neutrale Institution, sondern eine klar politische. Das zeigt sich nicht nur bei der Verteidigung des fossilen Kapitalismus, wenn die Polizei Seite an Seite mit RWEs Werkschutz die Aktivist:innen von Ende Gelände wegprügelt, sondern auch im Alltag. Konkurrenz, psychische Erkrankungen, Armut und Perspektivlosigkeit erzeugen als „kriminell“ begriffenes Verhalten, wie Beschaffungskriminalität, Fahrtkostenerschleichung oder Diebstahl. Das füllt den Begriff der „organisierten Kriminalität“ ganz anders mit Inhalt, denn staatlich werden soziale Missstände wie Armut zu „Kriminalität“ gemacht, um dann von der Polizei verwaltet zu werden. Wir wollen Lösungen statt Verwaltung!Die Polizei übernimmt die Aufgabe das kapitalistische Elend der Ungleichheit zu verwalten und damit die bestehenden Verhältnisse aufrecht zu erhalten. Wie viel Gerechtigkeit kann es von so einer Institution überhaupt geben?Die Polizei ist keine Lösung. Wie sollte sie auch – mit ihren Waffen, Knüppeln und Pfefferspray?
Was macht uns wirklich sicher 
Wir kämpfen für Sicherheit von unten; ohne Überwachung, Kontrolle, Ausschluss und Strafe. Deshalb kämpfen wir auch gegen das Versammlungsgesetz! Polizei muss nicht besser werden, sondern die Lebensumstände: Es sind die strukturellen Mechanismen von Ungleichheit und Ausbeutung, die wir beseitigen müssen, anstatt die Probleme marginalisierter Communities weiter zu kriminalisieren.  Sicherheit können wir nur gemeinsam organisieren. Sicher sind wir, wenn der fossile Kapitalismus ein Ende findet, und nicht wenn unser Protest niedergeknüppelt wird. Sicher sind wir, wenn rechte Netzwerke bekämpft sind, nicht wenn die Polizei als ihr rechter Arm gestärkt wird. Sicher sind wir, wenn Menschen Zugang zu Gesundheit haben, grundgesichert sind und Bewegungsfreiheit gewährleistet ist, statt psychisch Kranke und Wohnungslose zu kriminalisieren oder Probleme wie Beschaffungskriminalität zu konstruieren.Wir brauchen gleichen Zugang zu lebensnotwendigen Ressourcen für alle statt Kapitalismus und autoritärer Formierung – Wir brauchen Care – not Cops.
Ziel ist die Verwirklichung einer Gesellschaft, in der auf soziale Probleme und Gewalt nicht mit Kriminalisierung, Repression und Einsperrung reagiert wird.
Wir sind sicher, wenn wir patriacharale und kapitalistische Strukturen überwinden – das heißt wenn Bedürfnisse befriedigt werden, statt in ewiger Konkurrenz zu stehen, wenn Verantwortung übernommen wird, statt nur zu kontrollieren und strafen, dann kann es gut gehen – allen! Um wirklich sicher zu sein, bleibt nur den Polizeiapparat abbauen und selbstbestimmte Alternativen aufbauen und das gute Leben für alle zu erkämpfen – Abolish the Police! Fight capitalism! Care not Cops!